Es raschelt, ist biegsam und extrem leicht. Alles Eigenschaften, die man nicht unbedingt einem Kraftwerk zuschreiben würde. Doch “Moya”, ein transparenter Vorhang aus Plastik und Elektronik, ist genau das – ein kleines Kraftwerk für den Hausgebrauch, das Wind in Strom umwandelt
Das knapp zwei Meter lange Plastikstück mit den Fransen lässt sich auf Dächern und an Hauswänden montieren und soll überall dort, wo Wind herrscht, Energie generieren. “Es gibt so viel Energie um uns herum, die wir nicht nutzen”, erklärt Charlotte Slingsby, die das “wind harvesting sheet” (etwa: Tuch für die Windernte) im Rahmen ihres Design- und Ingenieursstudiums in London entworfen hat.
Slingsby, eine junge Frau mit langen, braunen Haaren, kommt aus Südafrika. Dort werden Stromausfälle für private Verbraucher, aber auch für Unternehmen zunehmend zum Problem. Hier soll Moya, in der Bantu-Sprache Xhosa mit “Wind” zu übersetzen, ansetzen. Slingsby will Häuser mit den Fransen ausrüsten, sodass sie im Notfall für Alarmanlagen, Türöffner oder Sensoren Energie generieren.
Auch in Städten wie London sieht das 25-Jährige Potenzial für ihre Idee. “Man kann so auch Flächen zur Energiegewinnung nutzen, die bislang völlig brachlagen”, sagt sie und nennt die Londoner U-Bahn-Röhren, aber auch Brücken und Hochhausfassaden als Beispiele. Branchenexperten halten das Projekt für grundsätzlich machbar, haben aber angesichts der Kosten Bedenken, ob es die Moya-Vorhänge tatsächlich zum Endkunden schaffen.
Solche Bedenken spielen für Slingsby erst einmal keine Rolle. Die Südafrikanerin interessiert sich seit Jahren für erneuerbare Energien und sucht nach einer Lösung, wie sich Wind und Sonne zur Energiegewinnung nutzen lassen, ohne dass dafür Flächen geopfert werden müssen. “Wir können nicht die ganze Landschaft mit Solarpanelen oder Windrädern vollstellen”, sagt sie.
Auf die Idee kam Slingsby, als sich herausstellte, dass auf dem Haus ihrer Familie in Kapstadt keine Fotovoltaikanlage installiert werden konnte. “Moya kann sogar an Glasfassaden angebracht werden und dort Energie auffangen. Damit nutzen wir existierende Oberflächen besser”, sagt sie. Sie will ihre Idee eher als Ergänzung, nicht als Ersatz verstanden wissen.
Pro Quadratmeter, so schätzt die Absolventin, generiert ein Moya-Vorhang rund zehn Prozent dessen, was ein Solarpanel an Energie umsetzen kann. “Aus dem Grund ist Moya mehr eine Ergänzung zu den existierenden Technologien”, sagt sie.
Der Vorhang besteht aus Fluorkunststoff, genauer gesagt, aus Polyvinylidenfluorid. Dessen Fähigkeit, über piezoelektrische Effekte Strom zu erzeugen, ist schon seit Ende der Sechzigerjahre bekannt. “Wenn der Stoff bewegt wird, nimmt er Energie auf”, erklärt Slingsby. Ein Chip wandelt sie danach in Strom um. Damit sich dieser einspeisen lässt, muss Moya an den Stromkreislauf angeschlossen werden.
Noch gibt es nur Prototypen, kein fertiges Endprodukt. Slingsby verhandelt jedoch gerade mit Investoren, um ihre Erfindung voranzutreiben. “Sobald wir im Bereich der Massenfertigung angekommen sind, sollte auch der Preis fallen”, sagt sie. Bislang kostet ein zwei Meter langes Stück Moya mehrere Hundert Euro.
Slingsby ist nicht die Einzige, die an die Idee glaubt. Auch die James-Dyson-Stiftung ist an Moya interessiert. Die Absolventin des Royal College of Art (RCA) und des Imperial College hat vor Kurzem den renommierten James Dyson Award gewonnen, den Erfinderlegende Sir James Dyson vergibt, um junge Talente in Großbritannien besser zu fördern.
Analyst- Azra Karamovic
Quelle- www.welt.de