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Hendricks plant Kohle-Aus schon zehn Jahre früher

           
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Die Bundesregierung will in den kommenden Jahren zusätzliche Maßnahmen gegen die Nutzung von Kohle in der Stromproduktion ergreifen. Unmittelbar vor Beginn der Weltklimakonferenz in Paris sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), sie halte es für möglich, bei der Kohle “einen Ausstiegspfad in 20 bis 25 Jahren ohne Strukturbrüche hinzubekommen”. Was dann noch an fossilen Energieträgern notwendig sei, sollten Gaskraftwerke abdecken. Diese gelten als klimafreundlicher und flexibler. Ein “nationaler Konsens” darüber solle noch in dieser Legislaturperiode erreicht werden.

Indirekt hat die Bundesumweltministerin damit weitere politische Eingriffe in die Energiewirtschaft angekündigt. Denn der Ausstiegsplan der Energiekonzerne sieht vor, dass die letzten deutschen Braunkohletagebaue und Braunkohlekraftwerke “Mitte des Jahrhunderts”, also etwa um das Jahr 2050 herum, außer Betrieb gehen. Hendricks denkt jetzt jedoch an einen “Ausstiegspfad”, der bereits zwischen 2035 und 2040 endet.

Umweltgruppen begrüßten den Vorstoß so kurz vor der am Montag beginnenden UN-Klimakonferenz: “Bei ihrer Reise nach Paris sollte Frau Merkel die klare Botschaft im Gepäck haben, dass die Regierung das Ende der Kohleverstromung in Deutschland vorzeitig umsetzen wird”, sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Ministerin rechnet nicht mit “Strukturbrüchen”

Braunkohle deckt bislang rund 25 Prozent des deutschen Stromverbrauchs, Atomenergie rund 16 Prozent. Nach dem Ende der Steinkohlesubventionen 2018 und dem Atomausstieg 2022 sucht die Bundesregierung damit also nun auch Ersatz für eine der letzten tragenden Säulen des bisherigen Energieversorgungssystems. Der Anteil der Gaskraftwerke war zuletzt auf unter zehn Prozent gefallen.

In den nordrhein-westfälischen Braunkohlerevieren halte sie einen Ausstieg ohne Strukturbrücke sicher für machbar, weil es hier um “eine prosperierende Gegend” gehe, sagte Hendricks weiter. In den mitteldeutschen Braunkohlegebieten sei die Lage “etwas schwieriger”, dort werde es zur Abfederung “flankierende Maßnahmen” geben müssen. Bei der Steinkohle sei der Ausstieg einfacher umzusetzen, weil die Förderung in Deutschland hier ohnehin 2018 eingestellt werde.

Hintergrund der Planung ist das Ziel der Bundesregierung, die Treibhausgasemissionen schrittweise zu verringern: Bis 2020 um 40 Prozent, bis 2030 um 55 Prozent, bis 2040 um 70 Prozent und bis 2050 um 80 bis 95 Prozent.

Allerdings ist lediglich das Endziel einer möglichst 95-prozentigen Reduktion auch von Beschlüssen der Europäischen Union gedeckt. Die übrigen Zwischenziele sind rein nationaler Natur. Mit diesen “ambitionierten Klimazielen” verbinde sich “eine klare strategische Ausrichtung”, teilte dazu das Wirtschaftsministerium mit, insbesondere was den Ausbau erneuerbarer Energien angehe.

Die Energiekonzerne verfolgen bislang einen Ausstiegsplan aus der Braunkohle, der mit dem europäischen Klimaziel einer 95-prozentigen CO2-Reduktion bis 2050 in Einklang steht. Demnach werden die einzelnen Tagebaue bis zu diesem Datum schrittweise stillgelegt und damit auch die angeschlossenen Kraftwerke. So wird etwa die “Auskohlung” des Tagebaus Inden in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2030 beendet sein. Bis etwa 2050 folgen dann die beiden übrigen NRW-Tagebaue Garzweiler und Hambach.

Landespolitik sieht das Thema bislang anders

Unmittelbar maßgeblich für die Braunkohlenutzung ist allerdings nicht Bundes-, sondern Landespolitik. So arbeitet das Land Nordrhein-Westfalen derzeit an einer “3. Leitentscheidung” zur Braunkohleverstromung, die den langsamen, stetigen und sozialverträglichen Ausstieg aus der Braunkohle vorsieht. Der Plan soll im kommenden Jahr beschlussfertig werden. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass er die Auskohlung, das heißt die Nutzung der drei bestehenden und genehmigten Tagebaue in Nordrhein-Westfalen garantieren wird, um die sonst drohenden Strukturbrüche und sozialen Verwerfungen vor Ort zu vermeiden.

Ein zeitlich gestreckter, schrittweiser Ausstieg hat aus Sicht der Landesregierungen vor Ort den Vorteil, wirtschaftlich und sozialverträglich zu sein. Die von der Bundesregierung früher geplanten Sonderabgaben auf Braunkohlestrom hatten die Landesregierungen in Düsseldorf, aber auch in Potsdam und Dresden als untaugliches Instrument zurückgewiesen.

Würden nämlich einzelne Kraftwerke durch Klimaabgaben oder ähnliche Instrumente “abgeschossen”, blieben die hohen Fixkosten des Tagebaus und der späteren Renaturierung der Landschaft an den übrig gebliebenen Kraftwerken hängen. Diese würden angesichts der ohnehin schwierigen Marktbedingungen durch die zusätzlich zu schulternde Last dann ebenfalls schnell unwirtschaftlich und stillgelegt.

Was machen die Landesregierungen?

Zusammenbruch strukturschwacher Regionen und Massenarbeitslosigkeit wären die Folge. Zudem müssten die Kosten der Renaturierung aus Steuermitteln künftiger Generationen berappt werden, wenn sich die Mittel dafür nicht mehr im laufenden Betrieb der Kraftwerke verdienen ließen.

Ohnedies ist fraglich, ob die Landesregierungen der Braunkohleregionen bereit sein werden, den klimapolitischen Vorstellungen Berlins zu folgen. Im Falle des Atomausstiegs haben Landespolitiker jedenfalls schlechte Erfahrungen damit gemacht, bundespolitischen Wünschen nachzukommen.

So verfügte etwa das Land Hessen nach Fukushima offenbar nur auf Wunsch der Bundesregierung die Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis. Der Stilllegungsbescheid wurde später vom Bundesgerichtshof als rechtswidrig verurteilt. Seither streitet sich Hessen mit dem Bund darüber, wer die Schadenersatzforderungen des Betreibers RWE in dreistelliger Millionenhöhe zu begleichen hat.

Die Energiegewerkschaft IG BCE lehnt den Kohleausstieg binnen 25 Jahren ab. “Die IG BCE ist verwundert über die Aussagen der Ministerin. Sie sollen vermutlich die Teilnehmer der Weltklimakonferenz beeindrucken”, sagte IG BCE-Sprecher Christian Hülsmeier der “Rheinischen Post”. “Fakt ist, dass nicht in der Lausitz oder in Garzweiler über das Weltklima entschieden wird, sondern in China, Indien und den USA. Das sollte man anerkennen, statt zu suggerieren, das ließe sich durch nationalen Aktionismus kompensieren.”

Auch aus Nordrhein-Westfalen kam Kritik an dem Vorstoß von Hendricks. NRW-Ministerpäsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte: “Der Vorstoß von Hendricks ist mit uns nicht abgestimmt. Das ist ein Alleingang und nicht die Position der NRW-SPD und auch nicht der Bundes -SPD. Die Argumentation ist auch inhaltlich falsch”. Durch die Energiewende sei ein Fahrplan vorgegeben.

Krafts Wirtschaftminister Garrelt Duin (SPD) stimmte in die Kritik mit ein: “Wir sind mittendrin in der Energiewende, der Anteil der Erneuerbaren steigt stetig an. Aber auch die optimistischsten Prognosen gehen davon aus, dass wir nach 2050 fossile Energieträger brauchen.” Solange die Speicherproblematik ungelöst und der Netzausbau nicht abgeschlossen sei, brauche man über den “Kohleausstieg nicht zu reden”. Wer die Versorgungssicherheit nicht gefährden wolle, könne ein solches Gesetz wie von Hendricks vorgeschlagen nicht wollen.

Analyst – Azra Karamovic
Quelle – www.well.de


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