Gerade im Winter haben wir uns an eine warme Wohnung gewöhnt. Morgens stellen wir die Kaffeemaschine an, benutzen den Toaster oder den Haartrockner. Und natürlich sollte das Licht brennen, wenn es draußen noch dunkel ist.
Aber dass sie Kosten für den – natürlich ständig verfügbaren Strom – immer höher steigen, das blenden viele Menschen gerne aus.
Im Jahr 2014 gab es in Europa etwa 40 000 Wintertote, weil Millionen von Menschen ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen konnten – die sogenannte Energiearmut betrifft mittlerweile etwa zehn Prozent nahezu aller Europäer. In den letzten acht Jahren hat sich der Strom in Europa um durchschnittlich 42 Prozent verteuert, insbesondere in Osteuropa (laut Eurostat, dem Statistischen Amt der EU). So müssen in Bulgarien etwa 50 Prozent des Durchschnittseinkommens für Energie aufgebracht werden. Die Briten zum Beispiel haben sich noch nie wirklich um Energieeffizienz gekümmert und leben oft in zugigen Häusern aus dem viktorianischen Zeitalter.
In Spanien sind rund 28 Prozent der Bevölkerung von Energiearmut betroffen, obwohl dort tausende Bürger mit Investitionen in eigene Solarstromanlagen einen Beitrag zum energetischen Wandel leisten. Die Regierung hatte versprochen, ihnen den Strom zu fairen Preisen abzunehmen. Einige Jahre später überlegte sie es sich anders und sorgte so für eine Rekordverschuldung. In Frankreich hat das ehemalige Staatsunternehmen Electricité de France (EDF) bis heute eine Monopolstellung inne. Das verstößt nicht nur gegen den freien Wettbewerb in der EU, sondern verwehrt Tausenden Franzosen, die gerne ihre eigene Energie produzieren würden, die Loslösung vom staatlichen Netzbetreiber – als Folge davon können dort acht Millionen Haushalte ihre Stromrechnung nicht mehr begleichen.
In Deutschland hat man zwar den Atomausstieg beschlossen, muss aber dennoch auch weiterhin Braunkohletagebau betreiben, was nicht nur zulasten der Umwelt geht, sondern Zwangsumsiedlungen ganzer Ortschaften zur Folge hat. Obwohl die Mehrheit der Deutschen für den Umstieg auf erneuerbare Energien und Klimaschutz ist, steigen auf der anderen Seite die Emissionen und heizen die (mittlerweile etwas abgekühlte) Diskussion um den Klimawandel erneut an. Hier sind es sieben Millionen Haushalte, die unter den Begriff der „Stromarmut“ fallen.
Schuld daran ist auch die Liberalisierung des Strommarktes, die durch den Wettbewerb eigentlich ein Absenken der Preise bewirken sollte. Die Europäische Kommission hatte vor gut 20 Jahren günstige und umweltfreundliche Energie versprochen und wollte die Kontrolle über die Strommärkte übernehmen, um Angebot und Nachfrage zu regeln. Das hat jedoch nicht wirklich funktioniert, denn mit den Privatisierungen wurde die Stromversorgung nicht nur teurer, sondern auch schlechter – und der Verbraucher guckt dar ob buchstäblich in die (kalte) Röhre.
Die Filmautorin Cécile Allegra lässt Regierungsbeamte und private Berater von Energiekonzernen zu Wort kommen, aber auch Umweltaktivisten und besorgte Bürger, die Strom immer öfter als „Luxusgut“ bezeichnen. Viele von ihnen wurden umgesiedelt, sie haben unter falschen Versprechungen mit ihrem Vermögen gehaftet. Ihre Wut ist förmlich greifbar, doch die Regierungen haben viele Bürger ge- und enttäuscht und können mit den Protesten überhaupt nicht umgehen.
Viele Fakten brechen in der Dokumentation über den Zuschauer herein, zu viele möglicherweise. Eine gewisse Einordnung, etwa nach Ländern, unterbleibt leider, zudem wimmelt der Kommentar nur so von Fachausdrücken und Fremdwörtern. Es sollte nicht nur um galoppierende Kosten gehen, denn die Strompreise steigen munter weiter, sondern auch darum, was in 20 Jahren sein wird und was unsere Generation für die nachfolgende hinterlässt. Einen sauberen Strommarkt jedenfalls nicht.
Analyst – Azra Karamovic
Quelle – www.focus.de